Sie appelliert an lebenslanges Lernen – und macht es darum gleich selbst vor. Gabi Spengler (51) begann ihre berufliche Karriere als Coiffeuse. Heute ist sie HR-Leiterin bei der Benninger Guss AG in Uzwil und setzt sich mit einem neuartigen Schulungskonzept gegen den Fachkräftemangel in der Schweiz ein. Im Interview erzählt sie mehr über die Idee, die im Rahmen ihres Nachdiplomstudiums zur Diplomierten Personalleiterin HF an der Akademie St. Gallen entstanden ist.
Frau Spengler – von der Coiffeuse zur HR-Leiterin. Ein spannender Werdegang … Als HR-Leiterin sind Sie Ansprechperson für die unterschiedlichsten Menschen und Anspruchsgruppen. War Ihre Erstausbildung die perfekte Vorbereitung dafür?
So würde ich das nicht sagen – aber es ist sicher eine wichtige Voraussetzung, dass man Spass hat an der Arbeit mit Menschen. Nicht die wichtigste, aber ein Hauptkriterium.
Was ist denn die wichtigste Voraussetzung, um im Bereich Human Resource erfolgreich zu sein?
(lacht) Ein gesunder Optimismus und eine sehr wichtige Voraussetzung ist, eine hohe Empathie gegenüber Menschen – und Leidenschaft für den Beruf und seine Themen.
Optimismus? Das tönt nach Diskussionen und «Zähne ausbeissen»…
Es ist ein herausfordernder Beruf, aber auch ein sehr spannender und vielseitiger. Der HR-Bereich hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Weg vom klassischen Dienstleister, hin zum Partner und Berater. Das HR-Management bietet heute sehr viel mehr Gestaltungmöglichkeiten in einem Unternehmen. Das ist toll – HR-Experten brauchen dadurch aber ganz neue Fähigkeiten und müssen neue Anforderungen meistern.
Die da wären?
Da künftige viele administrative Aufgaben und Prozesse immer mehr digitalisiert werden, braucht es weniger Ressourcen im administrativen Bereich. Ein HR-Manager macht heute mehr, als nur Personal einzustellen. Wir müssen uns im Unternehmen als Berater positionieren, Themen erkennen und einbringen. Ich bin in strategische Prozesse involviert: Die Zusammenarbeit und konstruktive Auseinandersetzung mit dem Management gehören zum Arbeitsalltag. Das ist nicht immer einfach, aber spannend. Und ich kann direkten Einfluss nehmen und Strategien mitgestalten.
Gabi Spengler fand Human Resource schon immer ein spannendes Themenfeld. Im Alter von 40 Jahren fand sie, aufgrund ihrer beratenden Tätigkeit im Bereich Lohn/HR, gefallen am Human Resources. Daraufhin absolvierte Sie eine Weiterbildung als Personalassistentin. 2013 wollte sie sich ihr Wissen belegen lassen – und meisterte den eidgenössischen Fachausweis. «Ich bin halt ehrgeizig», sagt Gabi Spengler von sich selbst. Nur wenige Jahre später führte sie dieser Ehrgeiz (und eine gute Portion Neugier) an die Akademie St. Gallen, wo sie das Nachdiplomstudium zur Diplomierten Personalleiterin HF absolvierte.
Haben Sie im Nachdiplomstudium zur Diplomierten Personalleiterin HF gelernt, mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen?
Die Positionierung und die Rolle des HR-Managers in einem Unternehmen waren wichtige Themen im Lehrgang. Ich habe sehr viele Dinge gelernt, die ich direkt in der Praxis umsetzen konnte. Dies dank Dozenten, die ihre Erfahrungen aus den unterschiedlichen Branchen einbrachten und mit uns teilten. Aber auch durch die intensive Auseinandersetzung mit persönlichen Stärken und Schwächen. Dieses Coaching war ein wichtiger Teil des Lehrgangs. Das kommt mir nun in Verhandlungssituationen zugute. Situationen, die ja in unserem Job alltäglich sind. Öfters braucht es ein hohes Mass an Durchsetzungsvermögen, um das Management von seinen Ideen und deren Umsetzung zu überzeugen. Dafür braucht man Persönlichkeit, die richtigen Argumente kombiniert mit Verhandlungsgeschick … und Geduld.
Worum geht es denn in Ihren Anliegen?
Zum Beispiel um den Fachkräftemangel. Für viele Branchen und vor allem KMUs ist dieser ein essenzielles Problem: Wir müssen Quereinsteiger zu Fachkräften entwickeln und Mitarbeitende qualifizieren, wenn wir unsere Stellen besetzen wollen. Anders geht es heute nicht mehr. Weil mich das Thema interessiert, habe ich mich auch im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Akademie St. Gallen damit auseinandergesetzt. Dabei habe ich gemerkt, dass in der Schweiz zwar alle über den Fachkräftemangel reden, aber niemand konkrete Lösungen aufzeigt. Darum habe ich ein Schulungskonzept entwickelt.
Spannend – eine Diplomarbeit, die Sie gleich im eigenen Unternehmen einsetzen können?
Wir sind dran und hoffen, bald starten zu können. Wir arbeiten aktuell auch mit Partnerfirmen und den Branchenverbänden zusammen. Die Umsetzung eines solchen Konzepts, die Schulungen für Quereinsteiger, all das ist mit hohen Kosten und Aufwand verbunden. Von Seiten Politik gibt es leider wenig Unterstützung. Wir sind überzeugt, mit dieser systematischen Schulung, welche übrigens auch auf andere Branchen angewendet können, eine Pionierrolle einzunehmen und eine Diskussion anzustossen.
Seit drei Jahren arbeitet Gabi Spengler als HR-Leiterin bei der Benninger Guss AG. Das Familienunternehmen in Uzwil beschäftigt rund 120 Angestellte aus unterschiedlichen Nationen. Der Austausch mit den Mitarbeitenden ist Gabi Spengler sehr wichtig. So zeigt Sie gegenüber den Mitarbeitenden Präsenz und betreibt so eine proaktive Betreuung der Mitarbeitenden. Sie versucht sie in Prozesse einzubinden und so die Unternehmenskultur zu fördern. «Wir müssen unsere Fachkräfte behalten» erklärt sie. Dank ihrem neuen Schulungskonzept sollen in der Benninger Guss AG aber auch schon bald Quereinsteiger im Einsatz sein und mit der systematischen Schulung, welche aus einem theoretischen sowie einen Praxisanteil zu Fachkräften ausgebildet werden.
Was möchten Sie den Schweizer Unternehmen speziell HR Fachleuten mitgeben?
Unternehmen mit akutem Fachkräftemangel müssen sich dessen bewusst sein, dass es immer schwieriger wird, Kandidaten mit dem exakten Anforderungsprofil zu finden. Vielmehr müssen wir unseren Horizont erweitern und ganzheitlich denken. Das heisst konkret, fehlende Kompetenzen müssen entwickelt werden, damit wir auch künftig die hohen qualitativen Anforderungen der Kunden erfüllen können. Es ist eins vor zwölf! Schaffen wir es nicht, die abgehenden Fachkräfte adäquat zu ersetzen, sind Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig. Deshalb ist eine systematische Personalentwicklung unabdingbar.
Inwiefern?
Ich höre immer wieder von Angestellten um die 50, die seit der Berufslehre keine Weiterbildung besucht haben. Aber die Anforderungen im Arbeitsmarkt wandeln sich so schnell, da macht sich das bemerkbar. Der Markt verlangt nach agilen und flexiblen Angestellten. Wer sich weiterbildet, bleibt automatisch flexibel. Darum mein Appell an alle: Bildet euch weiter. Man ist nie zu alt, etwas Neues zu lernen oder Wissen zu vertiefen. Und wer Angst hat vor zu viel Theorie oder trockenen Unterrichtsstunden: Es gibt heutzutage so viele praxisnahe Weiterbildungen. Viele Weiterbildungsangebote lassen sich auch problemlos mit Arbeit und Familie vereinbaren.
Sie haben sich auch mit 49 Jahren für ein Nachdiplomstudium entschieden …
(lacht) Ja – ich bin eigentlich das beste Beispiel dafür, wie lebenslanges Lernen geht.
Denken Sie schon über die nächste Weiterbildung nach?
Klar, ich brauche das – neuen Input, neue Anreize. Ich werde auf jeden Fall als nächstes mein Englisch aufpolieren, vielleicht sogar einen Sprachaufenthalt machen. Das hat Priorität – gute Englischkenntnisse sind ja auch ein «Must» mittlerweile. Ausserdem reizt es mich, mein Wissen rund ums Coaching zu vertiefen.
Wir wünschen Ihnen schon jetzt viel Spass bei der nächsten Herausforderung!