Kulturwechsel im Unterricht: Der Dozent wird zum Coach

Die Digitalisierung macht auch vor dem Unterricht an der Akademie St.Gallen nicht halt. Die Akademie geht mit der Höheren Fachschule für Wirtschaft (HFW) als Pionier voran und testet neue Methoden. Diese stellen auch die Studierenden vor ganz neue Herausforderungen. Wie der Unterricht der Zukunft aussieht und wieso Begeisterung in der Vergangenheit und in der Zukunft eine grosse Rolle spielt, erzählt Waltraud Schirmer, Schulleiterin der Höheren Fachschule für Wirtschaft und Dozentin für Rechnungswesen, im Interview.

Frau Schirmer, Sie leiten die Höhere Fachschule für Wirtschaft (HFW) und unterrichten nebenbei selbst noch mehrere Fächer. Das tönt nach langen Arbeitstagen…
Ja, das ist so. Meine Arbeitstage sind lang, aber immer auch spannend. Mir gefällt, was ich mache. Die Vielseitigkeit begeistert mich: operative und strategische Aufgaben, der Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen.

Worauf achten Sie als Schulleiterin besonders?
Mir ist der Austausch sehr wichtig. Sei dies unter Dozenten und Kollegen oder mit den rund 200 HFW-Studierenden. Das gilt im Übrigen für die Akademie St.Gallen insgesamt. Wir wollen einen persönlichen Rahmen schaffen und für die Studierenden da sein. Nur so bekommt man auch ein Gefühl für die Bedürfnisse und Themen an der Schule.

Haben Sie dieses „offene Ohr“ auch als Dozentin?
Auf jeden Fall. Ich will als Dozentin Begeisterung wecken. Wenn die Studierenden am Ende staunen, wie schnell eine Lektion vergangen ist, dann bin ich zufrieden. Oder wenn sie merken, wie Themen aus dem Unterricht mit Fragen aus dem Arbeitsalltag verbunden werden können. Solche Momente machen den Studierenden Freude – und mir.

Begeisterung und Finanzbuchhaltung. Passt das zusammen?
(lacht) Viele haben Vorurteile gegenüber dem Fach. Sie denken, es sei trocken und uninteressant. Wenn die Studierenden dann allerdings merken, wie sie den Unterrichtsstoff in ihrer Arbeit einsetzen können, ändert sich ihr Blick. Das weckt Initiative und Begeisterung. Für diese Aha-Effekte zu sorgen, das ist meine Aufgabe als Dozentin.

Wie man Theorie und Praxis verbindet, weiss Waltraud Schirmer aus über 14 Jahren Erfahrung in einem Industrieunternehmen. Nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium war sie in verschiedenen leitenden Funktionen im Finanzbereich tätig. Diese Erfahrung bringt sie jetzt in ihren Unterricht ein.

Sie unterrichten seit 20 Jahren. Wie hat sich die Dozententätigkeit verändert? Bestimmt hat die Digitalisierung für viele Neuerungen gesorgt.
Ja, die Aufgabe eines Dozenten hat sich stark verändert. Und wird sich noch viel stärker ändern. Vor allem auf die Methodik hat die Digitalisierung einen grossen Einfluss. Dagegen kann man sich nicht verschliessen. Wir wollen unseren Studierenden einen modernen, professionellen und methodisch abwechslungsreichen Unterricht mit höchstmöglicher Qualität bieten.

Wie schaffen Sie das?
Wir nutzen die neuen technischen Möglichkeiten. Aktuell sind wir dabei, neue Anwendungsfälle und moderne Unterrichtsstrukturen aufzubauen und Angebote wie das unterstützende E-Learning zu erweitern. Die Akademie St.Gallen geht hier als Pionier voran: Wir haben in der HFW in zwei Pilotfällen neue digitale Lehrmethoden getestet und dabei gute Erfahrungen gemacht.

Verraten Sie uns mehr über die Erkenntnisse aus diesen Pilotfällen?
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die neuen Methoden vor allem den Studierenden fordern. Dieser übernimmt die Verantwortung für sein Lernen mehrheitlich selbst. Dabei findet die Wissensvermittlung vor, parallel zum und auch nach dem Unterricht statt. Die Studierenden bereiten sich selbstständig vor und nutzen dafür unterschiedliche Tools – von Videos bis zu E-Tests – oder Fallstudien. Die Methoden sind vielseitig. Man kann viel mehr, als einfach nur ein Buchkapitel lesen. Der Dozent ist in Zukunft weniger Wissensvermittler, vielmehr wird er zum Lernbegleiter, Tutor, Motivator und zum Scout, was die Anwendung des Gelernten in der Praxis angeht.

Zum Dozieren kam Waltraud Schirmer vor 20 Jahren. Nach einer Babypause übernahm sie erste Unterrichtsstunden; wagte den Sprung ins kalte Wasser, wie sie selber sagt. Sie fand Gefallen am Unterrichten. So sehr, dass Sie immer mehr Lehraufträge übernahm – und vor acht Jahren die Leitung der HFW an der Akademie St.Gallen.

Sie sind nun acht Jahre im Amt als Schulleiterin: Ihre Arbeitstage sind lang und fordernd. Wie finden Sie da Ausgleich?
Ausgleich ist wichtig. Ich persönlich entspanne beim Volleyballspielen, verbringe Zeit mit der Familie, lese ein Buch oder treffe Freunde.

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