Vie­le den­ken, wir wären ein­ei­ige Zwil­lin­ge

Marko und Nikola Kostic sind Brüder und am selben Tag geboren. 27 Jahre später schliessen sie gemeinsam ihre Ausbildung zum diplomierten Betriebswirtschafter HF an der Akademie St.Gallen ab. Wir treffen die Zwillinge in Kreuzlingen und sprechen mit ihnen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Arbeit und Freizeit, Karriere und Zukunftspläne.

Heute liegen 40 Minuten Autofahrt zwischen den Zwillingen Marko und Nikola Kostic. Nicht wenig, wenn man bedenkt, dass sie 27 Jahre ihres Lebens fast jeden Tag gemeinsam verbracht haben. Sie besuchten dieselben Schulen, sassen in einer Klasse, trafen sich danach mit denselben Freunden, halfen sich gegenseitig beim Lernen und schlossen letztes Jahr ihre Ausbildung zum diplomierten Betriebswirtschafter HF ab. Nachdem sie beide vorher ihren Technischen Kaufmann mit eidgenössischem Fachausweis absolviert hatten.

«Viele denken, wir wären eineiige Zwillinge», lacht Marko. «Wir sind uns einfach sehr ähnlich, interessieren uns für dieselben Dinge und haben auch deshalb beruflich einen ähnlichen Weg eingeschlagen.» Beide wollten etwas Praktisches machen. Und so lernte Marko Logistiker und Nikola Polymechaniker. Doch ihre Ausbildungen waren den beiden zu wenig. Daher entschlossen sie sich, neben ihren jeweiligen Berufen, am WZR Rorschach den Technischen Kaufmann und anschliessend an der Akademie St.Gallen den Betriebswirtschafter zu absolvieren. «Das Pensum war schon hoch», resümiert Nikola. «Wir haben ja beide 100 Prozent gearbeitet – ich im Werkzeugbau und im Technischen Einkauf bei der Bannek AG und Marko in der Produktionsplanung- und steuerung bei der AVD Goldach AG – und dazu kamen dann noch acht Lektionen Unterricht pro Woche. Plus Prüfungsvorbereitung, versteht sich.»

Dass sich die Anstrengungen gelohnt haben, darüber sind sich die Zwillinge einig. «Durch den Technischen Kaufmann konnte ich ein Projekt zur Neugestaltung einer Arbeitsstelle in der Planung und Steuerung übernehmen», so Marko. «Und dank dem Betriebswirtschafter HF bin ich nun stellvertretender Bereichsleiter. Nebst der Planung und Überwachung der Aufträge in unserer Grossdruckerei bin ich auch für diverse kleine Projekte zuständig.» Und auch sein Bruder hat von der Ausbildung profitiert. «Der Lehrgang zum Dipl. Betriebswirtschafter hat mir den Wechsel zu meinem jetzigen Arbeitgeber, der General Dynamics European Land Systems Mowag GmbH, ermöglicht. Heute kümmere ich mich um das Controlling, erstelle Analysen und Reports und berichte an die Geschäftsleitung.»

Dass sie nach dem Technischen Kaufmann die Möglichkeit nutzen wollten, direkt ins dritte Semester des Diplomstudiengangs Betriebswirtschafter HF einzusteigen, war beiden schnell klar. «Wir waren eh einmal im Lernmodus, da dachten wir uns: Die vier Semester schaffen wir jetzt auch noch und dann haben wir eine fundierte technische und betriebswirtschaftliche Ausbildung», so Marko. Insgesamt investierten die Brüder neun Semester in ihre beiden Abschlüsse. Bald soll dieselbe Ausbildung noch spezifischer für Technische Kaufleute mit eidgenössischem Fachausweis angeboten werden. Ab Januar 2020 startet die Akademie St.Gallen mit dem massgeschneiderten Lehrgang.

Sowohl Marko als auch Nikola würden sich jederzeit wieder für diese Ausbildung an der Akademie St. Gallen entscheiden. «Die Dozenten waren super. Sie haben sehr praxisnah unterrichtet», so Nikola. Und Marko ergänzt: «Am besten fand ich den Austausch mit den anderen Studenten. Das hat mir extrem viel gebracht.»

So schön die Ausbildung war, so anspruchsvoll war sie auch. «Gerade das letzte Semester hat uns sehr gefordert», so Marko. «Ich war dann froh, als ich meine Diplomarbeit geschrieben und die Prüfungen bestanden hatte.» Gelernt haben die beiden – wen wunderts – gemeinsam. «Dafür haben wir uns mit Laptop und Unterlagen ins Sitzungszimmer von Markos Firma eingeschlossen», erinnert sich Nikola. «Dann haben wir jeweils Zusammenfassungen zu unterschiedlichen Themen geschrieben und sie uns gegenseitig vorgetragen. So kamen wir schnell voran und konnten die Themen noch einmal reflektieren.» Offenbar eine gute Methode. Beide haben die Prüfungen bestanden – mit fast derselben Punktzahl.

Und sie sind glücklich, dass sie sich für den bilateralen Weg entschieden haben. «Mit dem Betriebswirtschafter HF zeigt man: Ich bin belastbar, schliesslich habe ich Job und Studium unter einen Hut bekommen», findet Nikola. «Ausserdem steht man mit Mitte 20 fest im Berufsleben und hat nicht nur – wie nach der Uni – theoretisches Wissen angehäuft.»

Und jetzt? Haben Marko und Nikola erst einmal genug vom Lernen, könnte man denken. Doch mit dieser Einschätzung liegt man ziemlich daneben. Beide sind gerade dabei, ihre nächste Ausbildung zu planen. Während Nikola seine Kenntnisse im Accounting und Controlling vertiefen will, zieht es Marko in Richtung Wirtschaft und Informatik. 2020 wollen sie den nächsten Schritt gehen. Bis dahin gibt es genug zu tun – für Marko, der bei AVD Goldach die Bereichsleitung bald ganz übernehmen soll. Und für Nikola, der nicht nur die nächsten Finanzabschlüsse plant, sondern auch seine Hochzeit im Sommer. Denn Arbeit und Ausbildung sind bekanntlich nicht das ganze Leben. Gemeinsam Tennis spielen und Freunde treffen gehören zumindest für Marko und Nikola auch heute noch dazu. Daran können selbst 40 Minuten Entfernung nichts ändern.